Erfahrungsberichte von Eltern

Elli (3 Jahre)

Als ich zum zweiten Mal schwanger war und bei einer Ultraschall-Untersuchung erfuhr, dass wir ein Mädchen bekommen (wir hatten bereits einen knapp 2 Jahre alten Sohn), habe ich natürlich als erstes einen rosa Strampler gekauft. Und dann habe ich mir überlegt, was ich mit meinem Mädchen alles anstellen würde. Ich stellte mir vor, wie ich ihr kleine Zöpfe flechte, wir zusammen mit Puppen spielen – ich würde sogar Verwendung für die rosa Hausschuhe finden, die ich vor einiger Zeit gekauft hatte.

Dann kam meine Elli drei Wochen zu früh per Kaiserschnitt auf die Welt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt, aber der Anblick dieses bildhübschen kleinen Wesens ließ mich alle Strapazen der Geburt vergessen. Dann kam, was wahrscheinlich fast alle PWS-Mütter kennen: Die Verlegung ins Wärmebettchen auf die Kinderstation, Elli bekam eine Magensonde und musste gefühlte 100 Untersuchungen über sich ergehen lassen. Unser Arzt fand anfangs nichts und trotzdem war er beunruhigt, dabei wirkte meine Elli so zufrieden mit sich und ihrer Welt. Fünf Tage nach ihrer Geburt wurde Elli ins Uni-Klinikum nach Dresden verlegt. Dort teilten uns die Ärzte nach kurzer Zeit ihren hochgradigen Diagnoseverdacht mit: Spinale Muskelatrophie, Typ 1; Ellis Lebenserwartung sollte weniger als ein Jahr betragen. Die Gedanken und Gefühle, die mich damals übermannten, kann ich nicht in Worte fassen, wir verlebten die schlimmste Zeit unseres Lebens.

Weil wir gezwungen waren, uns mit dieser Situation „vertraut“ zu machen, stellte ich den Ärzten erste Fragen: Wie wird Elli sterben? Wo wird sie sterben? Eine der behandelten Ärzte sagte mir damals, ich solle erst die endgültige Diagnose-Stellung abwarten, denn es könnte ja auch sein, dass unsere Tochter keine SMA, sondern PWS hat. Von PWS hatte ich noch nie etwas gehört und stellte der Ärztin Fragen zu diesem Syndrom. Als sie mir sagte, dass es sich dabei um eine komplexe Behinderung handelt, mit der sowohl geistige als auch körperliche Beeinträchtigungen einhergehen, fragte ich sie, ob ich ein schlechter Mensch bin, wenn ich mir lieber eine SMA als PWS wünsche. Der Gedanke an ein Leben mit einem behinderten Kind ängstigte mich zu sehr.

Anfänglich konnte ich mir nicht vorstellen, Elli mit nach Hause zu nehmen, geschweige denn, bei ihr zu sein, wenn sie stirbt. Aber mit jedem Tag, der verging, ließ diese Angst nach und schon nach kurzer Zeit wollte ich Elli keine Minute mehr aus der Hand geben. Wir nahmen Elli mit heim, hatten eine tolle Unterstützung durch die Ärzte und Schwestern. Sie brachten mir bei, wie ich mit all den Überwachungsgeräten umgehen muss und ich ließ mir zeigen, wie man eine Magensonde legt, denn ich wollte niemanden Fremdes mehr an meine kleine Maus heran lassen. 

Ich wollte versuchen, meiner Elli die kurze Zeit, die sie auf dieser Welt nur haben sollte, so schön wie möglich zu gestalten. Und wir fingen sogar an, mit ihr zu scherzen und zu lachen. Aber die Gedanken daran, dass ich ihr nie würde Zöpfe flechten können, dass wir nie zusammen mit Puppen spielen würden und sie nie die rosa Hausschuhe würde tragen können, zerrissen mir fast das Herz.

In diesen Wochen wünschte ich mir jeden Tag mehr, dass Elli bleibt. Ich würde jede Krankheit oder Behinderung akzeptieren, wenn mir meine Elli nur nicht weggenommen werden würde.

Und dann kam nach ca. fünf Wochen der Anruf aus der Uni-Klinik: Elli hat keine SMA, sondern das Prader-Willi-Syndrom. Und seit diesem Tag scheint für mich die Sonne, und sie tut es jeden Tag. Denn von da an wusste ich, ich werde Elli Zöpfe flechten können, wir werden gemeinsam mit Puppen spielen und sie wird die rosa Hausschuhe tragen können, die ich gekauft hatte.

Und heute, drei Jahre später, flechte ich ihr Zöpfe, auch wenn sie das überhaupt nicht mag. Ellis Puppe Klara geht überall mit hin, sogar zur Toilette und die süßen Hausschuhe sind ihr mittlerweile schon zu klein.

Ich habe wie die meisten anderen PWS-Mütter in den letzten 3 Jahren Bekanntschaft mit Vojta und Castillo Morales gemacht, bin mittlerweile Fachfrau, was das Beantragen von Pflegestufe, Schwerbehindertenausweis und Heil- und Hilfsmitteln angeht. Ich habe monatelang auf das erste energische Weinen von Elli gewartet und vor Glück geweint, als sie es das erste Mal tat und ich war unheimlich stolz auf ihre ersten eigenen Schritte, die sie kurz nach ihrem zweiten Geburtstag tapsig vorführte.

Aber ich bin vor allem Eines: Glücklich!

Elli hat mein Leben und meine ganze Einstellung dazu von Grund auf verändert. Hatte ich früher eine Meinung und war fest davon überzeugt, konnte ich nur schlecht andere Anschauungen gelten lassen; Elli hat mich gelehrt, tolerant zu sein. Jeder Mensch ist anders und jeder Mensch geht anders mit seinem Schicksal um, es gibt kein Richtig und kein Falsch.

Bevor es Elli gab, strebte ich ständig nach mehr, dachte heute schon darüber nach, was morgen sein würde und ich brauchte immer einen Plan. Dank Elli genieße ich das Hier und Jetzt, sie zeigt mir immer wieder, wie schön es ist, einfach innezuhalten und die Gegenwart zu genießen. Denn was kommen wird, werden wir nie wissen, es zählt, heute das Beste aus dem Leben zu machen.

Im Freundeskreis trug ich immer den Spitznamen „Der Stress“, weil ich hektisch und ungeduldig bin. Aber Elli zwingt mich mit ihrer friedlichen und langsamen Art jeden Tag, ruhiger zu werden und runter zu fahren.

Elli ist heute dreieinhalb Jahre alt. Vieles haben wir schon zusammen erlebt und ich weiss, dass noch Vieles vor uns liegt. Angst vor der Zukunft habe ich heute nicht mehr, denn Elli ist wunderbar genauso wie sie ist. Ich würde sie mir kein bisschen anders wünschen.

Ich weiss heute, dass das Problem nicht die Menschen mit einer Behinderung sind, sondern die Gesellschaft, in der wir leben, denn die kann oftmals mit besonderen Menschen nicht umgehen. Aber ich habe gelernt, dass unsere Mitmenschen offener, neugieriger und verständnisvoller sind, wenn ich nur offen genug auf sie zugehe. Jeder in unserem Umfeld weiss, dass Elli PWS hat und alle wissen, dass sie mich ansprechen können, wenn sie unsicher sind oder etwas über Elli und das PWS nicht wissen. Elli wird von allen um uns herum wunderbar akzeptiert, andere Eltern im Kindergarten nehmen an Kindergeburtstagen Rücksicht auf unsere „besondere“ Ernährung, und selbst entfernte Bekannte oder Nachbarn freuen sich mit uns über jeden Entwicklungsschritt, den Elli bewältigt.

Das Leben mit einem PWS-Kind ist sicher anders, als man es sich in der noch sorgenfreien Schwangerschaft vorstellt, aber es ist keinesfalls schlechter, ganz im Gegenteil, meine Elli bereichert mein Leben jeden Tag und macht mich zum glücklichsten Menschen auf der Welt.

Nicole Feiereis – März 2013

 

Andreas (24 Jahre)

Familie M. aus Leingarten hat uns einen Zeitungsartikel über ihren Sohn Andreas zugeschickt, der 2011 in der „Heilbronner Stimme“ erschienen ist.
Und wie geht es Andreas heute? Dazu schreibt Andreas‘ Mutter: „Noch immer lebt er zufrieden im Luisenhof, geht seinen Weg (im geschützten Rahmen), hat inzwischen mehr als 80 kg abgenommen und sich prima entwickelt.

Er platzt beinahe vor Stolz über diese Leistung – und wir auch!!!

Allen ist geholfen, alle sind zufrieden. Aber vor allem: Andras hat mehr und mehr durch den Auszug gelernt, sich weiterentwickelt, weil wir als Eltern nicht immer „alles regeln“.
Loslassen heißt Verantwortung abgeben und unseren Kindern auch Zutrauen schenken, dass sie selbst etwas können. All das wäre zu Hause nie und nimmer möglich gewesen.“

 

Gesundheit von A-Z

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